Unser Landesgruppenleiter Steiermark, Ing. Thomas Ster, teilt seine Gedanken rund um den diesjährigen Frühjahrsgarten mit uns. Vor allem die Wildtulpen, von denen er schon viele an ihren Naturstandorten gesehen hat, haben es ihm angetan. Aber nicht nur Botanisches, sondern auch Geschichten rund um diese Pflanze und wertvolle Tipps für deren Kultivierung im eigenen Garten hat er für uns nieder geschrieben.

Graz, 13. April 2020

Das Frühlingserwachen hatten wir uns wohl etwas anders vorgestellt! Mit einem Schlag (Virus) werden wir daran erinnert, dass wir der Teil der Natur sind und sehr rasch zum Innehalten gezwungen werden können. Ist Ihnen aufgefallen wie still die Tage geworden sind? Nach dem absurden Sturm auf die Einkaufsmärkte als Einschränkungen unseres täglichen Lebens bekannt geworden sind, läuft es fast unheimlich ruhig ab.

Auch wir mussten alle Veranstaltungen absagen, an Exkursionen ist in der nächsten Zeit nicht zu denken. Wenigstens eine Tagesexkursion konnten wir zu den blühenden Küchenschellen auf den bodensauren Trockenrasen am Kuhberg und über dem Franzosenkreuz bei Dürnstein unternehmen. Am zweiten Standort über dem Franzosenkreuz wächst auch die Schwarze Küchenschelle (Pulsatilla pratensis).

Pulsatilla grandis, Foto: Thomas Ster

Mit etwas Glück sind auch Bastarde zwischen den beiden Küchenschellen zu finden. Es sind nur wenige Standorte wo Pulsatilla grandis auf bodensauren Standorten vorkommt. Die Ausläufer des Dunkelsteiner Waldes reichen bei Dürnstein bis zur Donauniederung. Ob dies mit dem sauren Untergrund zu tun hat oder nur im Laufe der Blühfolge auftritt, jedenfalls blühen fast blaue Exemplare auf den Trockenrasen des Kuhberges.

Pulsatilla pratensis, Foto: Thomas Ster

Wer jetzt einen Garten besitzt darf sich glücklich schätzen. Noch nie habe ich so intensiv unseren Garten genießen können, denn die kurze Zeit der Frühlingsblüte war immer mit zahlreichen Exkursionen verbunden. Es ist, meine ich bekannt, dass Geophyten zu meinen „Lieblingen“ zählen. Tulpen, Kaiserkronen, Krokusse und viele andere Zwiebelgewächse standen bei den Exkursionen oft ganz vorne auf meiner Wunschliste. Dies hätte auch bei der Kreta-Exkursion der ÖGG-Landesgruppe Steiermark Anfang April 2020 nach Kreta so sein sollen. Endlich wollte ich Tulipa cretica am Wildstandort blühend sehen nachdem davon die Selektion „Herakleon“ im Steingarten jedes Jahr prachtvoll blüht. Die Wildform, die ich ebenfalls kultiviere hat wesentlich kleinere Blüten und die Rückseiten der Petalen sind nicht so intensiv rosa gefärbt.

Tulipa cretica “Herakleon”, Foto: Thomas Ster

Etwas später beginnt die zweite kretische Tulpe Tulipa saxatilis im Steingarten zu blühen. Abweichend von den meisten Tulpenarten bringt die Kretische oder Felsentulpe häufig im Herbst die Blätter hervor, ist aber dennoch winterhart und breitet sich am Standort im Garten gut aus.

Tulipa saxatilis, Foto: Thomas Ster

Von den über 80 Tulpen-Arten, die Sortenanzahl ist schon fast unübersichtlich geworden, ist ein Verbreitungsschwerpunkt in Zentralasien mit den beliebtesten Wildtulpen wie Tulipa greigii und T. kaufmanniana. Ein langgehegter Traum ging für meine Frau und mich mit einer Exkursion nach Kasachstan im April 2013 in Erfüllung.

Tulipa greigi am Kujuk Pass, 22.4.2013, Foto: Thomas Ster

Jedes Jahr, wenn im Garten diese Wildtulpen wieder aus dem Winterschlaf erwachen und die leuchtend roten Blüten von Tulipa greigii erscheinen denken wir an die Reisen nach Zentralasien. Während T. greigii in den Steppen wächst, fanden wir die „Seerosentulpe“ T.kaufmanniana in den, im April noch verschneiten Bergen des Kirgisischen Alatau. Entsprechend sind auch die Ansprüche etwas unterschiedlich. T. kaufmanniana liebt eher mittelschwere Böden, eine gewisse Sommerfeuchtigkeit (keine Staunässe) wird aber gut vertragen.

Tulipa kaufmanniana, Talas Tal, 22.4.2013, Foto: Thomas Ster

Neben diesen beiden in Gartenkultur verbreiteten Wild-Tulpenarten werden die „mehrblütigen“ Tulpen von Tulipa praestans mit zahlreichen Sorten angeboten. Die in Zentralasien verbreitete Wildform ist nur selten mehrblütig bzw. werden die meist einblütigen Wildformen jetzt als T. subpraestans bezeichnet. In gärtnerischer Kultur sind fast ausschließlich mehrblütige Klone wie T. praestans „Füselier“. Auf gut wasserdurchlässigen, mineralreichen Böden verbleiben die Zwiebel über dem Sommer im Boden und müssen nicht herausgenommen werden. Nach einigen Jahren wird der Bestand zu leuchtend roten oder orangegelben schönen dichten Beständen.

Tulipa praestans, Foto: Thomas Ster

Ähnliches gilt für Tulipa ingens aus Usbekistan und Tadschikistan. Leider ist diese sehr dankbare Wildtulpe bei uns noch relativ unbekannt obwohl durchaus gartenwürdig. Die bis 20cm große Einzelblüte sitzt auf einem kurzen Blütenstängel und hält auch bei höheren Frühlingstemperaturen relativ lange.

Tulipa ingens, Foto: Thomas Ster

Es ist nicht verwunderlich, dass die Faszination Tulpen zu einer regelrechten „Tulpenmanie“ im 16. und 17. Jhdt vor allem in Holland führte. Die Geschichte ist hinlänglich bekannt, vielleicht weniger bekannt ist, dass Carolus Clusius in seinem Garten in Leiden Tulpen kultivierte. Nachdem er zweimal bestohlen wurde nahm er die wenigen verbliebenen Zwiebel in dem von ihm aufgebauten 1594 eröffneten Botanischen Garten Leiden mit. Dort blühte 1607 die nach ihm benannte Tulipa clusiana erstmals.

Tulipa clusiana, Foto: Thomas Ster

Diese zarte etwa 25cm hoch werdende weiße Tulpe mit auffallend rötlichen Außenseiten der Petalen benötigt einen besonderen Platz, am besten im Steingarten um zur Geltung zu kommen und sollte als kleine Gruppe gepflanzt werden. Diana Evrett berichtet, dass in Südfrankreich T. clusiana am Beginn des 19. Jhdt´s häufig als Schnitttulpe kultiviert und den Damen als besonderes Geschenk gegeben worden ist – daher auch der Name „Damen- oder Frauentulpe“. Eine weitere Wildtulpe mit einer besonderen Geschichte aus meinem Garten möchte ich auch vorstellen, denn diese Tulpe soll die große Zierde des Topkapi Palast in Istanbul unter Sultan Selim II. (1524-1574) gewesen sein. Allerdings war der Sultan vermutlich mehr dem Alkohol als den Tulpen zugetan. Bereits 1595 war von dieser Tulpe in Holland die Rede. Adriaan Duyck nannte sie nach der adeligen Abstammung seiner Frau „Duc van Dol“ und unter diesem Namen wird Tulipa schrenkii (syn. T. suaveolens) „Duc van Dol“ noch immer als eine der großblütigesten Wildtulpen angeboten. Die Autorin der Tulpenmonographie Diana Everett hat 2008 einen der schönsten Wildstandorte von T. schrenkii im Korgaldzhin Reserve, Kazachstan aufgesucht und die Vielfalt an Blütenfarben von rein weiß bis rot bewundert.

Tulipa schrenkii Duc van Tol, Nijssen 2015, Foto: Thomas Ster

Vielleicht hat auch mich die Tulpenmanie erfasst, denn im Iran erhoffte ich einige Tulpenarten zu finden. Nur wenige Kilometer außerhalb Teherans auf den Hängen des Elburs Gebirges leuchten die roten und gelben Blüten von Tulipa montana die ich als besonders gartenwillig bezeichnen möchte.

Am Aufbau des Botanischen Gartens Teheran war der norwegische Botaniker Per Erland Wendelbo wesentlich beteiligt (der Botanische Garten Göteborg, den er von 1965-1981 leitete, besitzt auf Grund seiner Sammeltätigkeit eine umfangreiche Geophytensammlung). Gleichzeitig nutzte er seinen langjährigen Aufenthalt im Iran zur Erkundigung der iranischen Flora. Dabei fand er im Golistan Reserve eine kaum 20cm hohe Tulpe die als Tulipa montana var. chrysantha beschrieben wurde.

Tulipa montana, Elburz, 30.4.2017

Von einem holländischen Anbieter konnte ich einige Zwiebel erwerben. Auffallend sind neben der, vor allem in der Aufblühphase, fast sitzenden blassgelben Blüte, die durch die breiten Petalen wie eine Schale wirken. Für T. montana sind zudem die stark wellige, für T. monata n untypischen  Blätter auffallend.

In den Ausläufern des Zagros Gebirges nahe Arak wurde eine weißblühende Tulipa humulis mit einem auffallend bläulich violetten Herz gefunden und nach Kew gebracht. Die im Handel angebotene Tulipa humilis var. pulchella „Alba Coerulea Oculata“ ist mit der ersten Aufsammlung sicherlich nicht ident, zeigt jedoch, dass sehr selten diese Tulpe mit prächtigen bläulichvioletten Saftmalen am Grund der Petaleninnenseite am Naturstandort vorkommt.

Zu den in der Kultur sehr dankbaren Wildtulpen zählt Tulipa linifolia die in den kargen, nur frühlingsfeuchten Felssteppen des Pamir-Alay Krigistans, in Tadschikistan bis Afghanistan und Nordiran vorkommt. Zumindest die Kulturform wächst in dichten Zwiebelbüschel. Aus den schmalen grünen, nicht bläulich bereiften Blättern leuchten die tiefroten Blüten, im Bild kombiniert mit Allium karataviense (Blauzungenlauch). Schöne Bestände erreicht man, wenn die Zwiebel ungestört über längere Zeit im Boden verbleiben können.

Tulipa linifolia, Foto: Thomas Ster

Leider fanden wir nur noch verblüht die wohl seltenste Tulpe in Tälern von Tamgaly, Kasachstan. Tulipa regelii wächst dort und auf wenigen Stellen im Tien Shan auf schiefriger Gesteinsunterlage. Über die wellige Blattoberseite läuft das Regenwasser rasch ab. Die Vegetationszeit ist sehr kurz und verhältnismäßig niederschlagsreich, dann herrscht für den Rest des Jahres Trockenheit und die Zwiebel sitzen tief im Schiefergestein. Benannt ist die Tulpe nach dem Botaniker Eduard August Regel (geb.1815 in Gotha, gest. 1892 St. Petersburg), der in seiner bewegten wissenschaftlichen Laufbahn zuletzt Direktor des Botanischen Gartens St. Petersburg wurde. Mehrere, meist abenteuerliche Reisen führten Regel u.a. durch Zentralasien, wo er umfangreiches Pflanzenmaterial aufsammeln und beschreiben konnte. Neben einigen Pflanzen, die ihm zu Ehren benannt sind, findet man sein botanisches Kürzel Regel sehr oft bei Neubeschreibungen von Pflanzen der zentralasiatischen Flora.

Kann man denn botanische Tulpen über längere Zeit erfolgreich im Garten kultivieren und damit erhalten? Diese Frage wurde mir schon oft gestellt. Sicherlich einige Arten sind schwierig und verschwinden wieder. Aber wie schaffen es viele Tulpen (und andere Geophyten) in den lebensfeindlichen Steppen zu überleben?

Tulipa lehmanniana (Hüllblatt), 1km S von Kanschengel, 16.4.2013, Foto: Thomas Ster

Wir haben in der Halbwüste Kasachstans eine Zwiebel von Tulipa lehmanniana freigelegt (aber nicht ausgegraben und mitgenommen!!!). Die Zwiebel dieser Tulpenart, die extreme Standorte bewohnt liegt 30-40cm tief in einem festen Sandboden. Der Blütenschaft wird durch eine Tunica gegen Hitze und Trockenheit geschützt. Nach der kurzen Vegetationszeit „ruht“ die Zwiebel in einem relativ kühlen Boden der niemals so stark austrocknet wie die oberen, im Sommer lebensfeindlichen Bodenschichten.

Tulipa borszczowii, Wüste bei Kysylköl, 21.4.2013, Foto: Thomas Ster

An einem besonders lebensfeindlichen Standort angepasst ist T. borszczowii in der Salzwüste bei Kumkent und an wenigen anderen Stellen in der Artemisia-Steppe Kasachstans. Niemand würde an diesem Standort, der nur von ortskundigen zu finden ist überhaupt Tulpen erwarten. In 30–40cm Tiefe sind die Zwiebel von den salzigen Wüstenstürmen gut geschützt. Der Schaft ist wie die Zwiebel mit dichten braunfilzigen Schuppen eingehüllt. An wenigen Tagen im April leuchten weithin sichtbar die roten, manchmal orangeroten Blüten dieser sehr seltenen Tulpenart, die von E.A. Regel 1884 entdeckt und beschrieben wurde.

Ganz im Gegensatz dazu überraschte uns Tulipa heterophylla in eisigen Höhen des Alatau. Mit Tulipa dasystemon ist es jene Tulpe die bis in Höhen über 3000m vorkommt.

Tulipa heterophylla, Foto: Thomas Ster

Wenn schon fast alle Tulpen verblüht sind beginnt wohl einer der kuriosesten Tulpen zu blühen. Wie kleine Flämmchen leuchten die schmalen, spitzen bis zu 10cm langen Petalen von Tulipa „cornuta“ aus meinem Staudenbeet. Erstmals wurde 1813, im Botanischen Garten Kopenhagen, diese eigenartige Mutante entdeckt und unter dem Namen Tulipa acuminata beschrieben. Unter diesem Namen ist sie auch im Handel.

Tulipa acuminata, Foto: Thomas Ster

Natürlich wollen wir in unserem Garten neben den Wildformen die Gartentulpen und andere Frühlingsgeophyten nicht missen. Doch wenn die Wildtulpen zu blühen beginnen erinnern wir uns an die Exkursionen vor allem nach Zentralasien. Immer wieder lese ich, Tulpen sollte man bei der Pflanzung reichlich mit abgelegenem Kompost versorgen. Bisher habe ich an Wildstandorten Tulpen nur in mineralischen, teils mittelschweren Böden ohne nennenswerten Humusanteil gefunden. Mit einer guten Drainage bzw. in einem reinen Mineralboden kann ich die Tulpenzwiebel der botanischen Tulpen das ganze Jahr über im Boden lassen und durchaus erfolgreich mit geringen Düngergaben stickstoffarmer Mineraldünger erhalten.

Für die Anzucht aus Samen ist viel Geduld erforderlich. Die Sämlinge sind auf das Pikieren sehr empfindlich und sollten bis zu drei Jahre in den Töpfen bleiben bis die kleinen Zwiebeln erstmals in größere Töpfe gesetzt werden können. Blüten stellen sich erst nach 5-6 Jahren ein.

Vielleicht denken Sie im Frühsommer, wenn die Zeit der Blumenzwiebelbestellung kommt, auch an Wildtulpen als Edelsteine im Garten.

Österreichische Gartenbau-Gesellschaft
Landesgruppe Steiermark
Kontaktadresse: Ing. Thomas Ster, Weingartenweg 6, 8020 Graz, thomas.ster@gmx.at  Tel.: 0664/73178354